Sich vom Problem lösen, statt Probleme zu lösen.
Neulich ging bei uns im Büro die Kaffeemaschine kaputt. In Zeiten von Homeoffice und Webinaren eine kleine „Katastrophe“ für jemanden der Kaffee als Lebenselixier schätzt. Also ab zum Elektrogeschäft und das Gerät dort anschauen lassen.
„Wir schicken es ein und sie erhalten dann einen Kostenvoranschlag (was für ein aggressives Wort)“,
hat mir der freundliche Techniker erklärt.
„Ob sich eine Reparatur lohnt lässt sich erst sagen, wenn der Fehler und das Problem gefunden wurde“,
so der Techniker abschließend.
Wieder im Büro, mit einer Tasse Tee, kam mir noch Mal die Aussage des Technikers in den Sinn.
„Erst müssen wir den Fehler und das Problem finden, dann können wir reparieren.“
Dieses „Fehler-Problem-Lösung“ Prinzip erlebe ich immer wieder auch in der Arbeit mit Menschen und Organisationen. Dabei stellt sich heraus, dass der Blick auf das Problem die Lösung oft gar nicht näher bringt, sondern das Problem größer macht.
Zweifelsohne ist unser Leben immer wieder von Problemen begleitet. Aktuell erleben viele von uns starke Veränderungen in der Arbeitswelt, wie auch in der Gesellschaft. Damit verbunden sind Ängste, ob und wie man das alles schaffen wird.
Im „Fehler-Problem-Lösung“ Modus würden wir jetzt, ähnlich wie bei der Kaffeemaschine, erst mal alle Ursachen und Problembestandteile analysieren um zu sehen was „repariert“ werden muss. Aber bringt uns das weiter?
Eine etwas andere Betrachtungsweise bietet uns der lösungsfokussierte Ansatz.
Hier wissen wir dass es ein Problem gibt, konzentrieren uns aber von Beginn an auf die gewünschte Lösung. Ich löse mich sozusagen vom Problem und beleuchte alles, was zur Lösung gehört.
Im Lösungsfokus stellen wir uns Fragen wie diese:
- Wie sieht die Situation aus, wenn das Problem nicht mehr existiert?
- Was sind die größten Hoffnungen, wie sich das für mich / uns auswirkt?
- Welche ersten kleinen Anzeichen sehen wir jetzt schon, die in diese Richtung zeigen?
- Welche Fähigkeiten und Stärken haben und brauchen wir dazu?
Der Lösung ist es egal, warum das Problem existiert.
Und Kopfweh ist selten die Folge von Aspirin-Mangel.
So gesehen hilft mir die Problembetrachtung nicht weiter und blockiert womöglich meine Kreativität, über Möglichkeiten nachzudenken, die ich bisher ausgeschlossen habe.
Problem talks creates problems, solution talk creates solution.
Diese Aussage stammt von Steve de Shazer, einem der Begründer des lösungsfokussierten Ansatzes in der Gesprächs-Therapie. Mir persönlich fällt in Meetings immer wieder die Tendenz auf, den größten Teil der Zeit über das Problem und die Gründe für das Problem zu sprechen und weniger über die (neu zu denkende) Lösung.
Hier ein kleines Beispiel und zwei mögliche Herangehensweisen dazu:
Ausgangssituation: Vertriebsmeeting, Umsatzrückgang im 1. Quartal um 25%
Fehler-Problem-Lösung Prinzip
Der Vertriebsleiter bringt aktuelle Kennzahlen mit und präsentiert diese am Beamer. Im A-Kundensegment ist der Umsatz am meisten zurückgegangen. Zudem wurden im Segment der B-Kunden die Hälfte aller Angebot noch nicht nachtelefoniert. Er fragt jeden Außendienstmitarbeiter, warum das passiert ist, was die Gründe sind, und bis wann die offenen Angebote nachtelefoniert werden.
Lösungsfokus-Prinzip
Der Vertriebsleiter teilt mit, dass die Auftragslage im 1. Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 25% zurück ging. Er bittet die Außendienstmitarbeiter folgende Fragen gemeinsam zu bearbeiten:
Welche aktuellen Entwicklungen weisen darauf hin, dass wir diesen Rückgang aufholen?
Angenommen wir habe diesen Rückstand bis zum Ende des 2. Quartals aufgeholt, was haben wir dann anders gemacht als bisher? Woran werden wir in den nächsten zwei Wochen konkret merken, dass wir einen Schritt weiter sind. Wie schaffen wir das genau?
Ich denke es gibt hier kein richtig oder falsch. Viele Wege führen nach Rom.
Möglicherweise sind die Motivation und die Stimmung im zweiten Beispiel besser.
Und letztlich brauchen wir ein motivierendes und bestärkendes Umfeld, um all die Herausforderungen zu meistern, und das ganz ohne dabei tief ins Problem zu gehen.
Ein paar Grundsätze des lösungsfokussierten Ansatzes zusammengefasst:
- Nütze die nach vorne gerichteten Kräfte.
- Du kannst das Problem lösen, oder dich vom Problem lösen.
- Wünsche und Hoffnungen sind Vorboten von Lösungen.
- Repariere nicht, was nicht kaputt ist.
- Wenn etwas funktioniert mach mehr davon, wenn nicht probiere etwas anderes.
- Problem talks creates problems, solution talk creates solutions.
Wer sich als lösungsfokussierter Coach ausbilden möchte hat demnächst eine besondere Gelegenheit dazu. Im Juni startet wieder unser international zertifiziertes Ausbildungsprogramm „Coaching PUR“ – dieses Mal als blended learning Version.
Mehr Informationen dazu findest du hier.
Abschließend möchte ich dich gerne noch zu ein paar Perspektiven im Lösungsfokus einladen:
- Welche lieb gewonnenen „Gewohnheiten“ der letzten Monate möchtest du auf jeden Fall in die kommende Zeit mitnehmen?
- Was sind deine größten Hoffnungen wie sich die „neue alte Zeit“ entwickelt?
- Wie wird sich das im Idealfall für dich persönlich auswirken?
- Wie noch…?
Übrigens:
Die Kaffeemaschine ist wieder repariert, sogar noch im Rahmen der Garantie.
Was wir dazu gelernt haben: Der Kaffee beim Bäcker nebenan schmeckt mindestens so fein und verbindet Kaffeegenuss mit ein paar Schritten an der frischen Luft. Das wollen wir auf jeden Fall beibehalten 🙂
Hallo Gerwin,
wie würde denn der andere Lösungsansatz am Kaffemaschine Beispiel aussehen? … das habe ich mich gefragt.
Hoffe es geht Dir gut.
LG, Ernst
Hallo Ernst, vielen Dank für deinen Beitrag und danke der Nachfrage, bei mir alles „im flow“ würde ich sagen 🙂
Deine Frage gefällt mir und hat mich selbst neugierig gemacht. Welche Antwort des Technikers könnte den Lösungsfokus widerspiegeln. Hier mein Angebot:
„Bis wir herausgefunden haben, wie wir Ihre Maschine wieder zum Laufen bringen, möchte ich gerne was tun, damit Sie auf Ihr „tägliches Lebenselixier“ nicht verzichten müssen. Darf ich Sie einladen für die nächsten 2 Wochen eine unserer neuen Filtermaschinen zu testen. Eine völlig neue Generation mit einem exklusiven Geschmackserlebnis.
Sie können sogar aus verschiedenen Farben wählen. Was gefällt Ihnen besser: honiggelb, wiesengrün, oder vulkangrau?
Soweit eine Möglichkeit lieber Ernst, was meinst du dazu? 🙂