Entscheiden, ohne alles zu wissen.
Vielleicht kennst du auch folgende Situation: Nach einer sehr stressigen Phase ist es endlich so weit – du planst eine Woche Urlaub irgendwo am Strand, um mal richtig zu entspannen. Da es wirklich der erste Urlaub seit langer Zeit ist, möchtest du ein wunderschönes Hotel finden. Du beginnst auf mit der Suche nach einer passenden Unterkunft auf einer bekannten Buchungsplattform. 332 Ergebnisse in deinem Wunschort. Na gut. Am besten sortierst du das Ergebnis nach den besten Bewertungen. Oh je – gleich vierstellige Preise für eine Nacht. Okay, vielleicht sortierst du doch besser nach Bewertung UND Preis. Schon besser. Das erste Hotel hat einen schicken Pool, ein großartiges Buffet und sehr große Zimmer. Das sieht doch super aus. Doch mit einem Blick auf den genauen Standort siehst du, dass es 20 Minuten vom Strand weg ist. Also nicht optimal. Das nächste Hotel sieht nicht minder schön aus. Es hat sogar einen eigenen Fitnessraum. Das könnte es sein. Doch ein Blick in die Bewertungen zeigt dir: Die Zimmer sind wohl sehr hellhörig. Ob das zum Entspannen das Richtige ist? Lieber weitersuchen. Jetzt hast du es aber gefunden: Strandnahes, superschönes Hotel. Große, ruhige Zimmer. Adults only. Was will man mehr? Endlich kann die Buchung starten. Doch dann stellst du fest: Das Zimmer kann man nicht wie die meisten anderen bis kurz vor knapp stornieren. Was, wenn doch etwas dazwischen kommt…?
Aus einer scheinbar einfachen Sache wie das Buchen eines Hotels wird ein endloser Prozess. Wir haben zahlreiche Möglichkeiten und dadurch stets die Sorge, nicht „das Beste“ auszuwählen. Oftmals lösen dieses Überangebot und die Angst vor der „falschen“ Entscheidung nur eins bei uns aus: Stillstand.
Das, was uns bei einer scheinbar angenehmen Sache wie der Planung eines Urlaubs begegnet, trifft auf zahlreiche Aktivitäten, Produkte oder Dienstleistungen im alltäglichen Leben zu. Sie betreffen individuelle Menschen oder ganze Unternehmen. In welche Software sollen wir investieren? Welche Autoreifen sind sie sichersten? In welchem Restaurant bekomme ich das schnellste und gesündeste Mittagessen?
Psychologen gehen davon aus, dass wir im Schnitt 20.000 Entscheidungen pro Tag treffen. Eine stolze Leistung, die unser Gehirn da vollbringt. Doch das ist nur möglich, wenn wir einen Großteil dieser Entscheidungen unterbewusst treffen. Durch das endlos steigende Angebot, die vielen Unsicherheiten durch die (politische) Weltlage und die zunehmende Komplexität unserer Welt wird das (unbewusste) Entscheiden aber immer schwieriger.
Wie kommen wir also heraus aus dieser Falle?
Einfach mit dem Bauch entscheiden.
Vielleicht denkst du jetzt:
‚Na toll, was soll denn das für ein Tipp sein? Ich habe an dieser Stelle irgendetwas augenöffnendes erwartet…‘
Doch vielleicht ist das Bauchgefühl genau das, was für viele von uns wieder Licht ins Dunkle bringt:
„Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Geist ein treuer Diener. Wir haben eine Gesellschaft erschaffen, die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.“
Mit diesem eindrucksvollen Zitat von Albert Einstein beginnt auch das Buch mit dem Titel „Bauchentscheidungen“ von Gerd Gigerenzer. Er hat sich vollumfänglich mit der Frage befasst, was Bauchentscheidungen eigentlich sind und vor allem warum sie oftmals das bessere Ergebnis bringen.
So zeigt er anhand eindrucksvoller Beispiele, dass die Intuition auch ohne alle Details zu kennen und jede verfügbare Information einzubeziehen, für uns gute Entscheidungen trifft. Besonders anschaulich wird das mit einem Blick auf den (erfahrenen) Sportler: Wenn ein Ball auf das Tor zufliegt, wird der gute Torwart keine Sekunde damit verschwenden, zu berechnen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Flugbahn ist. Nein, er entscheidet in Sekundenbruchteilen, in welche Ecke er springen wird – und liegt oftmals intuitiv richtig.
Eine wichtige Größe spielt dabei die Erfahrung, die ein Mensch mitbringt. Also: Je mehr Lebensjahre du bereits gemeistert hast und je mehr Entscheidungen du getroffen hast, umso mehr kannst du dich auch auf deinen Bauch verlassen.
So oder so ähnlich können wir auch mit den heutigen Entscheidungen des Lebens verfahren. Wenn sich vielleicht die Frage stellt, ob ein Jobwechsel bei all den Unsicherheiten eine gute Wahl ist, spür in dich hinein: Welches Gefühl hat das Gespräch mit dem neuen Unternehmen in dir ausgelöst? Hast du bereits beim Vorstellungsgespräch klar vor Augen gehabt, wie deine Zukunft genau in dieser Position aussieht und bereits über erste Projekte nachgedacht? Ein gutes Zeichen, dass dir dein Bauch grünes Licht gibt und die Entscheidung für den neuen Job langfristig die richtige ist. Hast du hingegen wenig Vorfreude verspürt, bei vielen Aufgaben geschluckt und dir zwanghaft immer wieder das größere Monatsgehalt vor Augen gehalten? Dann solltest du – auch wenn es wirtschaftlich attraktiv ist – nicht wechseln. Dein Bauch erkennt neben den rationalen Fakten Details, die nicht zu dir und deinem Lebensweg passen.
Natürlich ist das keine Aufforderung dafür, bei jeder kleinen und großen Entscheidung sämtliche Fakten außer Acht zu lassen. Doch wir werden niemals genug Zeit aufbringen, alle 332 Hotels bis in das kleinste Detail zu vergleichen & so auch mit jeder anderen Alltagsentscheidung zu verfahren.
Vielleicht ist also das richtige Hotel jenes, dessen Name ein wohliges Bauchgefühl und dessen Bilder ein vorfreudiges Kribbeln in uns auslösen – auch, wenn es keinen Fitnessraum gibt.
Ob es um die Priorisierung von Kundenprojekten, die Auswahl von Lieferanten oder die strategische Weichenstellung in deinem Unternehmen geht. Es gibt meistens mehr als eine mögliche Entscheidung. Wer sich mit der Kraft der Entschlossenheit und der Weisheit des intuitiven Geistes auf den Weg macht, findet die passenden Lösungen, die es zur Umsetzung braucht. Und manchmal stellt sich auch ein Umweg als genau die richtige Erfahrung heraus. Stell dir vor du musst auf dem Weg zu einem Termin von der Autobahn abfahren, weil diese gerade saniert wird. Dein erster Ärger wandelt sich in dankbares Staunen, weil du an einer Gärtnerei vorbeikommst, wo du genau die Blumentöpfe siehst, wo du schon seit langem suchst und bisher nicht gefunden hast.
Alles Gute für deine nächste Entscheidung und den Weg, den du wählst!